Die Renaissance des Prozessmanagements

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Obwohl bereits seit vielen Jahren bekannt, spielt das Management von Prozessen derzeit wieder eine besonders große Rolle. Angetrieben durch die weitere Digitalisierung von Abläufen, die Verlagerung von Aktivitäten ins Homeoffice, verbesserte Angebote in Form von Cloudlösungen oder die Umstellung auf eine neue Generation von Unternehmenssoftware verändern sich die Prozesse ständig. Häufig bleibt allerdings der systematische Umgang - das Prozessmanagement - auf der Strecke. Die Gründe dafür sind vielfältig: mangelnde Priorisierung, zeitlicher Druck, wenig Expertise oder fehlendes Gesamtverständnis spielen aber häufig eine Rolle.

Dabei gilt es, zunächst ein Verständnis für die Aufgaben zu gewinnen, die im Prozessmanagement erforderlich sind. Prozessverständnis gehört heute meist noch nicht zum Standardwissen in Unternehmen. Mitarbeiter:innen sind selten dafür ausgebildet (noch werden sie daran gemessen oder dafür bezahlt), in Prozessen zu denken, sondern ihre einzelnen Aufgaben abzuarbeiten. Den Überblick über einen Gesamtablauf (auch als End-to-End-Prozess bezeichnet) zu gewinnen, fällt entsprechend schwer. Gleichzeitig liegt die Expertise in Prozessbeschreibung, -verbesserung oder -management bei Spezialisten, die schwierig zu finden sind und - wenn vorhanden - betrieblich nicht immer vollständig ausgelastet werden können. Oder die Verantwortung wird gleich auf die IT abgewälzt, da diese ja sowieso mit Software zu tun hat.

Vor allem im Mittelstand wird daher eher operativ an einzelnen Prozessen gearbeitet, statt die strategische Perspektive einzunehmen und den möglichen Wettbewerbsvorteil zu erkennen. Dies liegt unter anderem daran, dass es schwerfällt, den Nutzen von systematischem Prozessmanagement auszuweisen und intern zu erklären. Es ist auch mühsam und anstrengend, in gemeinsamen Workshops an Formulierungen zu feilen und zu überlegen, welche Schritte wie von wem ausgeführt werden sollen. Und eine Kostenzuordnung ist sowieso oft schwierig, weil Messungen von Zeiten und Aufwänden kaum detailliert gemacht werden. Also werden Prozesse eher halbherzig verbessert und lediglich einzelne Schritte optimiert. Hier wird aber wertvolles Potenzial verschenkt, da wesentliche Effekte ausbleiben.

Meist geht es Unternehmen um die direkte Effizienzsteigerung, bei der z.B. Beschleunigung, Automatisierung oder Eliminierung ganzer Prozessschritte im Fokus sind. Es gibt allerdings weitere Potenziale, die häufig nicht erkannt werden. Prozesse ermöglichen es unter anderem:

  • Transparenz über die Abläufe des Unternehmens zu erzeugen
  • Klarheit im Austausch mit Kunden und Lieferanten zu erlangen
  • Gemeinsames Verständnis für Abläufe zu gewinnen und sich abteilungsübergreifend auszutauschen
  • Schnittstellen bzw. Übergabepunkte zwischen Organisationseinheiten zu klären
  • Verantwortlichkeiten für Aufgaben und Ergebnisse festzulegen
  • Mit Hilfe von Rollenprofilen Stellenbeschreibungen zu erarbeiten
  • Messgrößen/KPI‘s für Leistung und Kosten zu definieren und zu vergleichen
  • Benchmarking zwischen unterschiedlichen Standorten durchzuführen
  • Standardisierung von Vorgehensweisen umzusetzen
  • Zertifizierungen zu erlangen
  • Anforderungen an Software zu definieren, diese zu programmieren oder anzupassen
  • Verwendung von Daten und Dokumenten zu überprüfen

Die Auflistung zeigt, dass Prozesse häufig nicht ausreichend als die universelle Geschäftssprache erkannt werden, die sie eigentlich darstellen. Stattdessen werden Probleme – statt diese mithilfe von Prozessoptimierung zu beseitigen – oft genug mit der Einstellung zusätzlichen Personals behandelt, was zusätzliche Kosten erzeugt und nur die Symptome, aber nicht die Ursachen behandelt. Um Effekte, z.B. im Sinne einer Optimierung zu erzielen müssen Prozesse allerdings zuerst beschrieben werden, was in sehr unterschiedlicher Form geschehen kann. Wie eine Prozessbeschreibung durchgeführt werden kann und was dabei zu beachten ist, findet sich im zweiten Teil unserer Serie.

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