Prozesslandkarte und End-to-End-Prozesse verschaffen Überblick

Da die meisten Unternehmen komplizierte Organisationen mit vielen Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind, werden auch die Beschreibungen der Abläufe schnell unübersichtlich. Möchte man verstehen, wie die Puzzleteile zusammenwirken oder welche Veränderung Auswirkungen auf welche Teile hat, muss man das Unternehmen gut verstehen können. Für die Organisationsstruktur wird hier meist ein Organigramm verwendet, mit dem auf den ersten Blick erkennbar ist, welche Einheiten es gibt und welche Menschen dort arbeiten. Aber auch für Prozesse gibt es eine entsprechende Darstellung, die Transparenz ermöglicht und eine Systematik in die Abläufe bringt.

Auf der obersten, gröbsten Ebene kann dann eine sogenannte Prozesslandschaft (alternativ Prozesslandkarte/Process Map, Prozesshaus etc.) helfen, den Überblick über alle Abläufe im Unternehmen (und ggf. darüber hinaus) zu ermöglichen. In dieser Landschaft werden die Hauptprozesse mit einer sprechenden Kurzbeschreibung versehen, um für alle Beteiligten klarzustellen, welche wesentlichen Abläufe im Unternehmen existieren bzw. beschrieben sind. Auf den oberen Ebenen finden sich also Prozesse, die einen übergreifenden, d.h. durchlaufenden Charakter aufweisen. Um die Durchgängigkeit und die Zusammenhänge untereinander zu betonen, wird aktuell häufig von End-to-End-Prozessen (E2E) gesprochen. Diese haben den Anspruch, einen Ablauf vollumfänglich bzw. abschließend zu beschreiben. Beispiele dafür sind auf der Einkaufsseite Purchase to Pay (von der Anfrage/Bestellung bis hin zur Bezahlung des Lieferanten) oder auf der Verkaufsseite (z.B. im eCommerce) Order to Cash (beginnend mit Erstellung bzw. Eingang des Kundenauftrags bis zum Abschluss, wenn das Geld im Unternehmen ist). Diese umfassende Betrachtung macht es einfacher, eine durchgängige User Journey oder einen Use Case aufzubauen, da der gesamte Ablauf beschrieben wird und nicht nur einzelne Bestandteile. Gerade bei der zunehmenden Bedeutung der Customer Experience ist es sehr hilfreich, alle vom Kunden zu durchlaufenden Schritte auf einen Blick erkennen zu können. Auch bei der Prozessoptimierung sind End-to-End-Prozesse sehr hilfreich, da sie eine Suboptimierung von einzelnen Schritten vermeiden helfen.

Aufgrund der Vielfalt an Prozesschritten können allerdings auf dieser obersten Überblicksebene nicht alle Details abgebildet werden, das würde zu riesigen Darstellungen führen, die ganze Wände füllen. Um gleichzeitig die notwendigen Details in der Prozessdokumentation beschreiben zu können, und dennoch nicht den Überblick zu verlieren, macht man sich bei der Prozessmodellierung eine Eigenschaft der Darstellung zunutze. Prozesse können selbstähnlich aufgebaut sein; sollen mehr Einzelheiten für einen Prozessschritt dargestellt werden, so kann dieser Schritt in mehrere Teilschritte zerlegt werden.

Diese Teilschritte können dann in einem höheren Detaillierungsgrad in der gleichen Weise dargestellt werden wie der übergelagerte Prozessschritt. So kann eine sogenannte Prozesshierarchie aufgebaut werden, die mehrere Ebenen mit jeweils detaillierter werdenden Prozessen enthält. Diese Prozesshierarchie wird daher unter anderem auch als Levelstruktur bezeichnet. In einer sehr groben Betrachtung (auf der Detailstufe „Prozesslandschaft“) besteht das Unternehmen also nur aus wenigen übergreifenden Prozessen (Herstellung, Distribution, Beschaffung, Sales, Marketing etc.). Eine Ebene (ein Level) tiefer werden diese Prozesse dann in einzelne Schritte aufgeteilt. Beschaffung kann z.B. die folgenden Tätigkeiten beinhalten: Bedarfe berechnen, Bedarfe und Bestände abgleichen, Bestellung auslösen, Ware annehmen, Lieferung prüfen, Bestand aktualisieren, Zahlung freigeben. Auch diese Schritte können dann jeweils wieder detailliert werden, so dass immer mehr Details der Tätigkeiten dargestellt werden können. Es entsteht also eine selbstähnliche Abbildung, die dafür sorgt, dass die Prozesse mit ihren Details immer verwandt aussehen und Beteiligte möglichst nur eine Darstellungsart verstehen können müssen. Gleichzeitig sind bei Bedarf viele Informationen verfügbar, ohne dass die Gesamtheit aller Prozesse unübersichtlich wird.

Prozesse können generell auch über die eigene Unternehmensgrenze hinweg beschrieben werden. Gerade bei Unternehmen, die stark in Lieferketten eingebunden sind ist dies auch notwendig, da entweder Lieferanten oder Kunden mit einbezogen werden und auch deren Prozessschritte für das Gesamtverständnis notwendig sind. Je nachdem mit welcher Zielsetzung die Beschreibung erfolgt, ist es hier allerdings nicht sinnvoll, alle Details der externen Prozessschritte abzubilden. Beim Abgleich mit externen Partnern kann es natürlich auch dazu kommen, dass diese eine abweichende Art der Prozessdarstellung verwenden. Hier muss dann eine Einigung zumindest für die Arbeit an der Prozessoptimierung gefunden werden, damit das gleiche Verständnis vorhanden ist. Auch aus diesem Grund bietet es sich an, sich an bestehenden Standards zu orientieren. Für den Bereich der Lieferkette eignet sich beispielsweise die international weit verbreitete Darstellung in Form des Supply Chain Operations Reference Models (SCOR-Model). Hier sind nicht nur die Abläufe mit ihren Schritten bis auf die dritte Ebene beschrieben, sondern auch die Inputs und Outputs, mögliche Messgrößen, Best Practices etc. Hier muss also das Rad wie insgesamt im Prozessmanagement nicht neu erfunden werden und man kann sich viel Arbeit ersparen, wenn man bereits existierende und erprobte Strukturen verwendet, sondern sich an bereits Bestehendem und den entsprechenden Standards orientiert.

Credits: Pixabay - Geralt

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